Das Tollste war natürlich, mit dem Fahrrad ungehindert über die Autobahn zu fahren, in den Tunneln zu klingeln und zu johlen und auf den freien Stücken alles aus dem Fahrrad rauszuholen, was geht. Über 50.000 Fahrradfahrende waren mit uns unterwegs und nutzten die Chance, ohne gefährlichen Autoverkehr auf Berlins breiten Straßen zu fahren.
Der Weg dahin war diesmal sehr sonnig und sehr lang. Einige Radler aus den Außenbezirken waren schon seit 9 Uhr unterwegs. Ich hatte mich mit meiner Familie um 10.40 Uhr in Wittenau mit Radlern getroffen, die aus Oranienburg kamen. Gemeinsam ging es dann in einem großen Schlenker über den Alex zur Tempelhofer Auffahrt zur A100. Zwischendurch waren so viele Radler unterwegs, dass es immer wieder zu richtigen Staus kam und man absteigen und sein Fahrrad schieben musste. Ich habe mich in solchen Momenten oft gefragt, wie das wohl aussähe, wenn wir alle nicht auf Rädern, sondern im Auto gesessen hätten. Ein Monsterstau aus Lärm und giftigem Feinstaub. Stattdessen wurden zwanglose Gespräche geführt, über Fahrräder und Radrouten gefachsimpelt oder sich gegenseitig mit Traubenzucker oder Bananen ausgeholfen. Wenn man Glück hatte, gab es in der Nähe jemanden mit Lautsprecherbox und guter Musik.
Um 15.30 Uhr waren wir an der Goldenen Else. Als Abschluss ging es einmal (oder bei anderen wohl deutlich öfter) um den Kreisverkehr. Danach fuhren wir übers Brandenburger Tor nach Hause Richtung Reinickendorf. An der Müllerstraße im Wedding wurden wir schnell wieder in die Fahrradrealität zurückgeholt, als der Pop-Up-Streifen aufhörte und wir uns auf einem schmalen Radschutzstreifen zwischen parkenden Autos und der zweispurigen Straße wiederfanden. Kein einziges Auto hielt den Mindestabstand von 1,50 Metern ein und mein elfjähriger Sohn fuhr gezwungenermaßen konsequent in der Dooring-Zone. In Reinickendorf auf der Ollenhauer Straße war es nicht besser, da hier die Radwege auf der Straße zwar markiert, aber zugeparkt sind. Mit Genehmigung unserer Verkehrsstadträtin, die keinen Anlass sieht, diesen fertigen Radweg endlich freizugeben.
Unsere Bilanz nach über sechs Stunden Radfahren und 52 geradelten Kilometern: Radfahren kann so schön sein, so friedlich und so entspannt. Leider ist das im Jahr 2023 nur auf der Sternfahrt oder bei anderen Fahrrad-Großveranstaltungen möglich. Ansonsten heißt es weiterhin Angst haben oder auf gefährliche Buckelpisten ausweichen.
